Fokus Telekom: Von der Multi-Channel Realität zur Omni-Channel Vision

Die Telekombranche war und ist mit ihren Leistungen das Rückgrat der Digitalisierung, hat es interessanterweise aber lange Zeit verabsäumt, für die eigenen Kunden effektiv Mehrwert über mobile oder Onlinekanäle zu schaffen. Ursprünglich fehlte dafür der Antrieb, da die gesamte Branche Servicequalität im Wesentlichen über Netzqualität, Servicehotlines und die eigenen Stores definierte. Die Konsumenten auf der anderen Seite hatten allerdings erlebt, wie die Digitalisierung in anderen Branchen ihr Einkaufserlebnis transformiert und vereinfacht hat, und erwarteten den gleichen Komfort nun von ihrem Telco Service Provider.

Für viele Branchen war daher ein stark steigender Anteil von Onlineumsätzen bereits Normalität, als Anfang 2012 in Frankreich mit „Free“ ein einfaches reines Onlineangebot auf den Markt kam. In der Folge verschob sich nahezu die Hälfte aller Verkäufe in den Onlinebereich. Wohl eines der eindrucksvollsten Beispiele für einen Markt, der bereit ist für Veränderung.

Quelle: Strategy & 2014

 

Telekoms als digitale Fashionistas

Seither haben Telekomunternehmen geradezu hektische Anstrengungen zur Digitalisierung sowohl ihrer internen Prozesse als auch der Kundeninteraktion unternommen. Eine wirklich durchgehende Omni-Channel Experience zu schaffen, erwies sich aufgrund des komplexen Umfelds mit unterschiedlichsten Vertragsvarianten, Zusatzpaketen, Bonusprogrammen und zahlreichen Legacy Preismodellen gemischt mit physischen Produkten als ein herausforderndes Unterfangen.

Wenig überraschend weist die großangelegte Studie im Rahmen des Buches „Leading Digital“ aus dem Jahr 2014 für die Telekombranche mit 48 Prozent den zweithöchsten Anteil an „Digital Fashionistas“ aller untersuchten Branchen aus.

Quelle: Capgemini Consulting 2014

 

 Damit wird der Telekombranche bescheinigt,

  • zwar viele innovative digitale Projekte und Features zu starten,
  • aber auch ein Mangel bei der Koordination,
  • eine fehlende übergeordnete Vision
  • und eine digitale Kultur, die mehr in einzelnen Silos als im Gesamtunternehmen verankert ist.

 

Realisierung der Omni-Channel Vision

Die gute Nachricht ist, dass Omni-Channel Management schrittweise eingeführt werden kann und am Weg schnelle Erfolge erzielt werden können. Ovum zeigt in seiner aktuellen Fallstudie „Fast-Forward to Omni-Channel Management“ Erfolgsfaktoren und konkrete Ansatzpunkte für den Start einer erfolgreichen Transformation:

  • Kohärenter Ansatz: Über allem muss eine Organisationsstruktur stehen, die die Custoemr Experience in den Mittelpunkt stellt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die unterschiedlichen Bausteine letztlich ineinandergreifen.
  • Omni-Channel Management Team: Die Erfahrung zeigt, dass alle betroffenen Abteilungen vertreten sein müssen und Rückhalt durch die oberste Führungsebene benötigt wird. Eine Omni-Channel Transformation sollte nicht ausschließlich durch Marketing und IT getragen werden.
  • Customer Journey Mapping: Das systematische Identifizieren der Interaktionspunkte unterschiedlicher Kundentypen erlaubt die Gestaltung eines reibungslosen Prozesses über unterschiedliche Kanäle hinweg.
  • Integration von Legacy Systemen: Die Transformation ist ein andauernder Prozess, der stattfindet, während die existierenden Abläufe und Systeme noch genutzt werden.
  • Priorisieren von Kompetenzlücken: Insbesondere Themen, auf denen andere Prozesse aufbauen, sollten Priorität erhalten. Einheitliche Kundendaten sind etwa Voraussetzung für personalisierte Services. Darauf aufbauende Self-Service Angebote wiederum entlasten den Support und liefern sofort greifbare Erfolge. Solche „Quick Wins“ geben dem Transformationsprozess die nötige Dynamik.
  • Prime System Integrator: Die meisten Unternehmen benötigen externe Unterstützung und die Auswahl eines geeigneten Dienstleisters mit dem nötigen technischen und Managementwissen ist ein entscheidender Faktor. Idealerweise bringt er Erfahrung aus unterschiedlichen Branchen mit.

 

Die gleiche Untersuchung von Ovum zeigt auch, dass sich 70 Prozent der CSPs 2016 noch immer in einer frühen Phase der Omni-Channel Umsetzung befinden. Und das, obwohl das Thema an der Spitze der strategischen Agenda fest verankert ist. EY zeigen in ihrer Studie „Navigating the Road to 2020“ beispielsweise Customer Experience Management unangefochten an der Spitze.

Quelle: EY 2015

 

Bei den konkreten Initiativen zum Thema nennen über zwei Drittel der befragten Telekommanager die Schaffung einer personalisierten Kundenerfahrung als das wichtigste Projekt.

Quelle: EY 2015

 

Das alles zeigt eindrucksvoll, dass Omni-Channel als Vision mittlerweile zwar zentrales Anliegen der Telekombranche ist, aber noch immer ein fortlaufender Prozess ist, der keineswegs abgeschlossen ist. Gründe, konsequent weiter daran zu arbeiten, gibt es genug:

  • 2015 bezifferte Northstream etwa das jährliche OPEX Einsparungspotential durch gut implementierte Omni-Channel Prozesse alleine bei den westeuropäischen Anbietern auf 6,4 Milliarden Dollar.
  • McKinsey wiederum konnte zeigen, dass Telekomkunden deutlich zufriedener sind, wenn der Kundenkontakt rein digital oder über gemischte Kanäle erfolgt. Im Vergleich zu traditionellen Kontaktformen liegt der Vorteil hier bei einer bis zu 33 Prozent höheren Zufriedenheit.

 

Disruptives Marktumfeld

Die Telekombranche wird sich auf absehbare Zeit in einem sich stark ändernden Markt bewegen und insbesondere OTTs werden die Kundenerwartungen weiterhin ändern. Gerade im Zuge der Verbreitung von e-SIMs ergeben sich neue Chancen und Risiken. Unter anderen wird sich laut einer aktuellen Schätzung von McKinsey der Anteil von subventionierten Endgeräten bis 2020 auf lediglich 8 Prozent verringern und so weitere Herausforderungen für die Kundenbindung mit sich bringen.

Quelle: McKinsey 2016

 

Eine durchgängige Omni-Channel Integration kann hier einen wesentlichen Beitrag liefern:

  • Mobile First: Die mobile Erfahrung sollte ins Zentrum rücken und eine zentrale App die nahtlose Interaktion des Kunden vom Web bis zum Shop ermöglichen. Etwa Banken machen hier vor, wie das Smartphone zum zentralen Hub aller Services werden kann.
  • Online: Die Onlineerfahrung kann über die Omni-Channel Integration einfacher und personalisierter werden. Mehr Self-Service Möglichkeiten und relevante Optionen können angeboten werden.
  • Store: Selbst hochgradig digital orientierte Kunden schätzen die Stores als physische Inkarnation digitaler Produkte und Dienstleistungen. Kiosks mit Check-in über mobile Geräte können das Einkaufserlebnis hier weiter anreichern und personalisieren.

 

Über allem steht die Kundenerwartung, dass dem Unternehmen ihre Geschichte mit dem Unternehmen bekannt ist und eine Interaktion, die immer wieder bei Null anfängt, mittlerweile ganz einfach auf Unverständnis stößt.

 

Quellen:
Fast Forward to Omni-channel Managment, Ovum, 2017
E-SIM for consumers – a game changer in mobile telecommunications?, McKinsey&Company, 2016
Quantifying the value of Omni-channel CRM for Telecoms, AsiaInfo, 2015
Global telecommunications study: navigating the road to 2020, 2015
Why companies should care about e-care, McKinsey&Company, 2014
Becoming a digital telecom, strategy&, 2014
Leading Digital, Capgemini Consulting, 2014